Juni ist der Monat, in dem liberale Zionist*innen ihre mathematischen Fähigkeiten verlieren. Es ist der Monat, in dem das Wort „Besatzung“ zionistischen Vorstellungen unterworfen wird, um die Urbesatzung Palästinas, die Vertreibung und die Nakba, zu negieren und zu leugnen. Es ist aber auch der Monat, in dem das palästinensische Volk seiner zweiten Nakba, der Naksa, gedenkt. Juni 1967 war der Monat, als die Widersprüche des Zionismus in das kulminierten, was dieser kolonialen Ideologie inhärent ist: Die Besatzung des gesamten Palästinas, der Teile Palästinas, die der Zionismus 1948 nicht einnehmen konnte. Die Eroberung “Großisraels”.
Auch wenn wir es als unsere Verantwortung sehen, immer wieder daran zu erinnern, dass die Besatzung Palästinas keineswegs erst 1967 anfing oder bloße 50 Jahre dauert, so ist es doch genauso unsere Verantwortung, an die Geschehen von 1967 zu erinnern. Nicht nur, weil heute in den 1967 besetzten Gebieten Millionen von Menschen in Elend, Armut und Unterdrückung leben. Nicht nur, weil der palästinensische Widerstand in diesen Gebieten, der selbst nach bürgerlichem Völkerrecht legitim ist, ständig kriminalisiert und dem Terrorismus zugeordnet wird. Sondern auch, weil die Besatzung 1967 der beste Beweis für die Heuchelei des hegemonialen Diskurses bezüglich Palästina ist. Die Realität in den ’67er Gebieten zeigt uns, wie verlogen und leer das Gerede von einer Zweistaaten-Lösung ist, was für eine perfide Finte die Oslo-Abkommen doch waren, die bis zum heutigen Tage nur der herrschenden Klasse dienen.
Aber so leer und verdreht dieser Diskurs manchmal auch sein mag, wird auch er hier in Deutschland mundtot gemacht. Denn Rassist*innen und Rechte versuchen jegliche Aufarbeitung der Katastrophe von 1967 zum Schweigen zu bringen. Oder sie bejubeln und zelebrieren dieses Verbrechen gar, wie wir es heutzutage in Frankfurt erleben. Diesen rechten bürgerlichen Kräften schließen sich derweil selbsternannte „Linke“ in einer geeinten Querfront an, um gegen den Befreiungskampf des palästinensischen Volkes zu hetzen und Rassismus und Verbrechen gegen die Menschlichkeit eine Lobeshymne zu widmen. Unsere Solidarität gilt den Genoss*innen, die in Frankfurt gegen diese Reaktionär*innen kämpfen.
Aus diesen Gründen müssen wir an die Naksa erinnern. Wir müssen unsere Augen auf das Westjordanland, die Golanhöhen und Gaza richten, um zu sehen, wie die Zukunft des gesamten palästinensischen Volkes und umliegender arabischer Menschen aussehen würde, wenn der Zionismus seine Politik ungestört fortsetzen darf – eine Zukunft von Hinrichtungen, Bombardierungen, Leid und Tod. Aber wenn wir unsere Augen darauf richten, sehen wir auch Jahrzehnte des Widerstandes in all seinen Formen: Jahrzehnte von Sumud und Muqawama, von dem Stein, dem Gewehr und der Kamera, Jahrzehnte des unermüdlichen Kampfes. Wir müssen an den Juni des Jahres 1967 als ein historisches Ereignis wieder und wieder erinnern, um das Erinnern nicht den Zionisten und Liberalen zu überlassen. Wenn wir von 1967 reden, negieren wir damit 1948 nicht. Wir negieren damit das unabdingbare Recht der Geflüchteten auf Rückkehr nicht, wir negieren damit die Kritik an der zionistischen Apartheidspolitik innerhalb der ’48er Gebiete nicht, noch negieren wir damit den Kampf für einen demokratischen Staat für alle im ganzen historischen Palästina. Wenn aber Zionist*innen und Liberale sich plötzlich an die Realität in Palästina erinnern und eine Woche lang rufen: „50 Jahre sind zu viel“, antworten wir: der Zionismus an sich ist zu viel. Und das jeden Tag, jede Minute seit 1948 und davor.