Am 30.8.2015 hat ein Bündnis von Palästina-Solidaritätsaktivist*innen, unter ihnen Aktivist*innen der Gruppe FOR-Palestine, eine Veranstaltung gestört und blockiert, die von der israelischen Botschaft unter dem Namen „Tel-Aviv Beach Party“ mitorganisiert wurde. Wir veröffentlichen die Erklärung dieser Aktion:
Das lächelnde Gesicht des Zionismus
Eine Erklärung zur Störung der „Tel-Aviv Beach Party“ in Berlin, 30.8.2015.
Die Veranstalter*innen der diesjährigen „Tel-Aviv Beach Party“ (schamlos zu „Tel Aviv-Jaffa“ umbenannt, in einem ironischen Versuch, die Veranstaltung zu entpolitisieren, wobei die Kolonisierung Palästinas umso mehr betont wurde), würden sich selbst gerne als unpolitisch sehen.
Ihre Stadt ist eine Stadt „verschiedener Aspekte der Freiheit“ (*), wo „alle Einwohner Flucht vor der täglichen Not nehmen“. Sie sind die Guten, makellos und rein. Sie kamen nach Berlin, um die Besatzung Palästinas, die nach knapp 68 Jahren zu einem Dorn im Auge geworden ist, nicht sehen zu müssen, denn sie verdirbt ihre Aussicht auf Tel-Avivs „wunderschönen Strand“.
Manche sind scheinbar sogar dazu bereit, ihr Entgelt an liberale Menschenrechtsorganisationen ihrer Wahl zu spenden, die dieses Geld verwenden würden, um eine unhaltbare Situation weiter aufrechtzuerhalten. Sie möchten eine Kultur „liberaler Ansichten von Menschenrechten und Freiheit“ fördern. Sie würden sich so gerne als Teil der Lösung sehen, da sie lieber in Berlin tanzen, als Babys im Westjordanland zu verbrennen. Sie weigern sich zu sehen, dass sie selbst das Problem sind.
Das liberale, bürgerliche Tel Aviv ist das lächelnde Gesicht des Zionismus, das die Welt mit der Weißheit seiner Zähne blendet, während sein gestiefelter Fuß fest auf die Schlagader der palästinensischen Bevölkerung presst. Tel Avivs Luxusrestaurants, Hipster-Kneipen und Hi-Tech Firmen sind ein Zuhause für die Pilot*innen, die Gaza in Brand setzen, die Unternehmen, die von der Kolonisierung Palästinas profitieren, die Künstler*innen, die die Welt tanzen und singen und vergessen lassen, während unter ihren Füßen Befehle des Todes vor Bildschirmen in tiefen Bunkern gegeben werden.
Tel-Avivs Tourismus, seine Pride-Paraden und seine Börsen sind der glitzernde Schmuck, den Israel vor der Welt hochhält, während gleichzeitig sein Militär durch die Dörfer Westjordanlands marschiert, während sein Geheimdienst Aktivist*innen monatelang ohne Anklage in seinen Kellern festhält, während sein Justizsystem ethnische Säuberung und Landraub legitimiert. Tel-Aviv ist das klopfende Herz des Zionismus. Tel Aviv bietet Israelis und Tourist*innen – aber natürlich keinen palästinensischen Flüchtling*innen oder Einwohner*innen des Westjordanlands und Gazas – die Möglichkeit an, an seinen schönen Stränden zu sitzen und dabei zu vergessen, dass sie eigentlich Besatzer*innen sind.
Wir sind hier, um sie genau daran zu erinnern.
Wir haben uns entschieden, die „Tel-Aviv Beach Party“ zu stören, weil wir den Propagandamaßnahmen des Zionismus Widerstand leisten müssen. Diese Propaganda, vom Staat Hasbara (Aufklärung) genannt, hat viele Gesichter: Sie kann die Form von Militärgeneral*innen und Politiker*innen annehmen, die bei CNN Interviews geben und Kriegsverbrechen mit biblischer Rhetorik rechtfertigen. Sie kann die Form von amerikanischen Milliardär*innen annehmen, die ihr Kapital gegen Palästina-Solidaritätsgruppen an Universitäten nutzen. Sie kann die Form von Kulturveranstaltungen annehmen, die für Israels „Liberale Kultur“ oder „LGBTQ*-Freundlichkeit“ werben, auch „Whitewashing“ und „Pinkwashing“ genannt.
Aufgrund des zunehmenden Erfolges der Kampagnen der globalen Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen (BDS) Bewegung, stellen sich in den letzten Jahren mehr und mehr Veranstaltungen, die damals in aller Öffentlichkeit von der israelischen Regierung gesponsert wurden, plötzlich als selbstorganisiert und unabhängig dar, um nach BDS Richtlinien nicht boykottierbar zu sein. Aber jede kurze Internetsuche enthüllt die vergangene Beziehung der Veranstalter*innen der „Tel-Aviv Beach Party“ mit dem israelischen Staat oder mit dem JNF, sein Hauptorgan für ethnische Vertreibung.
Aus diesen Gründen muss diese Propaganda gestoppt werden, auch wenn sie nicht unter die Kategorien einer BDS-Kampagne fällt. Eine „Tel-Aviv Beach Party“ in die Mitte eines Migrant*innen-Bezirkes in Berlin zu bringen, wo palästinensische Gerichte als authentisches israelisches Essen angeboten werden, wo in einem Edelrestaurant gespeist wird, das für die meisten Einwohner*innen ohnehin finanziell unerreichbar bleibt, wo all das im Namen eines aufgesetzten „Multikulturalismus“ gefeiert wird, der in Wahrheit kein weiteres Ziel verfolgt, als die Aufrechterhaltung rassistischer Privilegien, übersteigt jede Schamlosigkeit. Das lassen wir nicht durch.
Sie werden uns Antisemiten nennen. Diejenigen von uns, die Jüd*innen sind, werden sie selbsthassend nennen. Aber wir werden mit unserem Finger weiterhin auf die Lügen ihrer Propaganda zeigen. Und die Welt wird das lächelnde Gesicht des Zionismus durchschauen.
Palästina-Solidaritätsaktivist*innen in Berlin, August 2015
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* Die Zitaten stammen aus der ursprünglichen Einladung für die Party auf Facebook, die mittlerweile entfernt wurde.