Der erster Mai ist der internationale Kampftag der Arbeiterklasse. Wir sind hier beim internationalistischen Block, da wir wissen, dass die globale Befreiung der Arbeiterklasse ohne die internationale Solidarität mit Befreiungskämpfen gegen Unterdrückung unmöglich ist. Palästina ist dafür ein Fallbeispiel.
Die Kolonisierung Palästina durch den Zionismus hat Jahrzehnten vor dem zweiten Weltkrieg angefangen. Die zionistische Migrant*innen, die Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts nach Palästina kamen, haben eine Ideologie für die Kolonisierung des Landes entwickelt – „Kibush Ha´avoda“, Besatzung der Arbeit. Nach dieser Ideologie sollte die Arbeit selbst im Palästina durch den Zionismus übernommen werden, die lokale palästinensische Arbeit durch die vom Zionismus sogenannte „Hebräische Arbeit“ ersetzt werden. Diese Idee wurde mit verschiedenen Mitteln verfolgt: durch Kauf palästinensischen Landes, durch die Verhinderung, auch mit Gewalt, palästinensischer Arbeiter*innen an der Arbeit teilzunehmen, oder durch das Bringen jüdischer Arbeiter*innen aus muslimischen Ländern, mit dem Gedanke, dass sie als nicht-Europäer besser arbeiten können, und trotzdem aber keine Palästinenser*innen sind.
Durch diese Maßnahme wurde das palästinensische Proletariat in Palästina schon in den zwanziger und dreißiger Jahren aus dem kapitalistischen System im Lande fast komplett verdrängt. Das hat die palästinensische Bevölkerung nicht nur immens geschwächt und dem Zionismus eine obere Position in den Verhandlungen mit dem britischen Kolonialismus gegeben, sondern hat auch die Entwicklung einer palästinensischen Klassengesellschaft verhindert, die eine Voraussetzung für ein politisches Organisieren ist. Die Teile-und-Herrsche Strategie des Zionismus wurde schon damals auf die Klassenstruktur der palästinensischen Bevölkerung verwendet. Trotzdem hat sich das palästinensische Volk gewehrt, wie durch den Generalstreik von 1936, und es wehrt sich weiter bis heute.
Seit hundert Jahren führt also die palästinensische Arbeiterklasse einen doppelten Kampf: gegen seine kapitalistische Ausbeuter*innen und gleichzeitig gegen die Besatzung, die sie wegen ihrer Nationalität und Ethnizität unterdrückt und sie so daran hindert, sich als Klasse zu entwickeln. Die israelische-jüdische Arbeiterklasse als Besatzer führt auch einen doppelten Kampf: Gegen die sie ausbeutende Klasse als auch gegen die Befreiungsversuche der Palästinenser*innen. Das israelische-jüdische Proletariat hat sich im Laufe der Jahrzehnten konsequent für den zweiten Kampf entschieden.
Der Nationalismus des Zionismus hat auch in der israelischen Gesellschaft die Bildung eines revolutionären Klassenbewusstseins verhindert. Das Proletariat sieht sich dann nicht als Klasse, sondern nur als Teil eines nationalen Kollektives. Er bildet seine Identität nicht als Reaktion auf die Ausbeutung seitens der Kapitalistenklassen, sondern als Reaktion auf die nicht-jüdische Menschen im Lande. Es kann keinen Klassenkampf im Zionismus geben, da dieser Klassenkampf nie das internationalistische Element haben kann, und weil jeglicher Klassenkampf immer sekundär zu der nationalistischen Identität sein wird. Ein Klassenkampf ist in Palästina nur in einer Gesellschaft ohne Zionismus möglich. Da wird der berühmte Satz von Engels noch mal veranschaulicht: „Ein Volk, das andere unterdrückt, kann sich nicht selbst empanzipieren. Die Macht, deren es zur Unterdrückung der anderen bedarf, wendet sich schließlich immer gegen es selbst.“ Solange das israelisch-jüdische Proletariat weiterhin Besatzung, Militarismus und Chauvinismus unterstützt, wird es nie das revolutionäre Bewusstsein entwickeln können, einen internationalistischen Kampf zusammen mit der palästinensischen Arbeiterklasse zu führen.” Nichtsdestotrotz und genau deswegen hat das israelische-jüdische Proletariat die Verantwortung, wie alle anderen Klassen der Gesellschaft auch, gegen die Besatzung zu kämpfen. Seine Unterdrückung als Klasse schließt seine Rolle als Besatzer nicht aus.
Wer die kapitalistisch-koloniale Aspekte der Situation in Palästina nicht sehen kann, ist auf Ewig dazu verdammt, die Besatzung Palästinas durch die bürgerliche Brille eines religiösen oder ethnischen Konfliktes zu sehen. Der erste Schritt in dem Klassenkampf im ganzen Palästina muss der Kampf gegen den Zionismus sein. Von daher ist auch die Einstaatenlösung der erste Schritt, damit die israelische Bevölkerung erst lernt, Privilegien beiseite zu legen, damit erst das akute Problem der Geflüchtete gelöst ist, damit Raum für die Entwicklung eines revolutionären Bewusstseins geschafft werden kann. Es kann kein wirklich freies Palästina geben, ohne eine Revolution im gesamten Nahost, aber die Prozesse, die das Bewusstsein der Menschen auf Solidarität, Klassenkampf und Gleichberechtigung bringen, fangen in Palästina an. So wie Palästina uns seit Jahrzehnten Widerstand beibringt, wird es uns auch den Weg zur Revolution zeigen. Internationale Solidarität ist Solidarität mit Palästina. Deswegen sind wir solidarisch mit dem kurdischen Befreiungskampf. Deswegen sind wir solidarisch mit der Arbeiterklasse und der Arbeiterbewegung im Iran, die auch doppelt unterdrückt sind – einmal durch die neoliberalen kapitalistischen Systeme im Lande, und einmal durch ein diktatorisches Regime. Hoch die internationale Solidarität!
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